SA · 20.07.2024

B6BBO

Vernunft trocknet keine Tränen

Was soll man tun, wenn man die 80er verpasst hat, für die Technoclubs der 90er noch zu jung war und für virale TikTok-Hits schon wieder zu alt?

B6BBO antworten auf diese Frage, indem sie die Welt umarmen und dabei gleichzeitig nie zu ernst nehmen. So schreiben sie mit ihrer Musik den Soundtrack einer schwer greifbaren Generation, die popkulturell nirgendwo wirklich herkommt, aber sich überall zu Hause fühlt. Einzige Konstante: Rausch, Ekstase und Tränen.

Die 6-köpfige Formation aus Berlin reißt sich mit ihrem dritten Album die klamaukigen Masken selbstentworfener Genres wie Powerpolka oder Diskopunk vom Gesicht, nur um dahinter die gleichen Hallodris vorzufinden, die zwar runder und älter, aber nicht schlauer geworden sind und die Bauchentscheidungen weiterhin zur Lebensmaxime erheben.

„Vernunft trocknet keine Tränen“ ist die Suche nach dem Zweisamen im einsamen Berliner Meer aus Beton, Zapfhähnen und leuchtender Späti-Reklame – nach den besonderen Momenten, die einem nur das Abenteuer Alkohol schenken kann. Egal, ob im Nachtzug nach Wien, wackeligen Nachtfahrradfahrten durch Friedrichshainer Straßen oder auf der Bierbank vor dem heimischen Späti. Solange es Spaß macht sagen B6BBO: „Ich bleibe hier! Ich trink für vier. Bleibst du bei mir?“.

Sie singen von Straßenzügen und Kiezen, die so sehr nach verflossener Liebe aussehen und schmecken, dass man sie lieber meidet. „Vernunft trocknet keine Tränen“ ist ein Tagebuch über Gefühle, die wie der Rauch einer Zigarette im Nachthimmel verschwinden. Das B6BBO traut sich mit dem dritten Album an balladesken Pop-Pathos heran, um einen Song später schon wieder in dreckigem, punkig-verrauchten Sound zu landen. Sie machen klar, dass Alter nicht automatisch bedeutet, in der Parkposition der erwachsenen Reife zu stehen.

Der Blick der geborenen Berliner war nie nur auf die schöpferische Unergründbarkeit ihrer Stadt gerichtet. B6BBO träumen von der Romantik einer flüchtigen Begegnung im Nachtzug nach Wien. Sie lassen aber auch das Herz alle Kreuzfahrer:innen im Mittelmeer gefrieren, die vor lauter Glückseligkeit nicht merken, dass sie über ein Massengrab schippern.

Seinen Sound hat das B6BBO feinjustiert: Die Zwangspause der letzten zwei Jahre hat ihnen Zeit gegeben, ihren für intime Clubs und große Festivalbühnen gemachten Discopunk in Einzelteile zu zerlegen und die besten Bestandteile daraus im Studio neu zusammenzusetzen. Die Bläser klingen tragender, nachdenklicher und setzen sich auf eine reduziertere und gelichtete Kombination aus flirrenden Gitarren, knackigen Bässen und treibenden Drums.